Kapitel 3 - Blue

Kapitel 3

Oder, Greta schafft ihr Alter Ego: Blue

 

„Hallo Blue hier!

Nein, natürlich ist das nicht mein richtiger Name, aber will ich wirklich der ganzen Weltbevölkerung von heute, morgen, übermorgen, über-übermorgen usw. usf. meine Identität preisgeben?

Nicht wirklich.

Diese Identität ist natürlich sehr mysteriös und außerordentlich spannend. Fast so spannend, wie die Cousine dritten Grades einer Nebendarstellerin in einem Film.

Wenn jemand nach mir suchen würde, wäre das mit viel Arbeit und Zeit - und einem ordentlichen Mangel an anderen Hobbys - natürlich möglich. Nur leider macht sich niemand diese Mühe.

Aber um euch die Suche etwas zu erleichtern, folgen nun einige Fakten über mich:

·      Ich bin 17.

·      Ich lebe in einer recht überschaubaren Stadt in den italienischen Alpen.

·      Ich warte immer noch auf meine filmwürdige Teenager- Erfahrung.

Das sage ich jetzt nicht um anzugeben, aber ich finde, ich habe alle Voraussetzungen um eine dramatische Liebeserfahrung in der Oberschule zu machen:

Ein schüchternes Teenager-Mädchen aus einem Kaff, welches sich hinter Büchern und Musik versteckt, eine total atemberaubende beste Freundin hat, welcher alle Jungs nachlaufen, und natürlich die verzweifelte Hoffnung auf den ersten Kuss mit dem schnuckeligen Footballspieler.

Klingt wie jeder Netflix- Film, nicht?

Wenn ich so darüber nachdenke, ist das doch nicht wirklich eine treffende Beschreibung meiner Persönlichkeit.

Ich bin weder schüchtern, noch warte ich verzweifelt auf meinen ersten Kuss mit einem heißen Footballspieler. Das liegt daran, dass es diese Sportart hier nicht gibt und ich meinen ersten Kuss schon im Kindergarten hatte, als ich mit meiner Freundin zusammengestoßen bin. Sie hat einen Zahn verloren und ich habe mir fast ein Stück Zunge abgebissen.

Das ist aber nicht der Punkt.

Jedenfalls bin ich kein großer Fan von diesen Netflix-Filmen, hätte aber nichts dagegen, wenn sich plötzlich drei Jungs um mich streiten würden.

 

Jetzt wo ihr mich ein wenig kennt, hoffe ich, dass ihr meinen Blog weiterhin besucht und mich besser kennenlernt.

Bis dann! xx“

 

Erschöpft lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und winke Jana zu mir. „Lies dir das mal durch, bitte!“

Sie schlendert in meine Richtung mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Sobald sie bei mir angekommen ist, nehme ich ihr die Tasse ab, die sie genau in diesem Moment an ihre Lippe setzt. Entrüstet schnaubt sie und setzt sich auf den Stuhl, den ich für sie freigemacht habe.

Während sie sich meinen Entwurf durchliest, mache ich einen Schluck von ihrem Kaffee, spucke ihn aber angewidert in die Tasse zurück. Wer trinkt schwarzen Filterkaffee?

„Und?“ Ich versuche noch einen Schluck, verziehe aber wieder das Gesicht und spucke ihn aus.

„Stil 10, Content 4 …“

„Warum? Was stimmt mit dem Inhalt nicht?“

Jana greift nach ihrer Tasse und scheint sich genau zu überlegen, ob sie daraus trinken will, bis sie schließlich einen Schluck nimmt. „Dieser Text sollte so eine Art Erste Begegnung sein, richtig?“ Ich nicke. „Wenn ich dich nicht kennen würde, wüsste ich jetzt nicht recht viel mehr als vorher. Du hast einen guten Stil, den man gern liest, aber der Inhalt ist quasi nicht existent. Es trieft vor Sarkasmus, wie ich es mir von dir erwartet habe, aber man sollte wenigstens … etwas … über dich erfahren, nicht?“

Ich gehe den Text noch einmal durch und verweise auf mehrere Stellen: „Schau! Hier sage ich, dass ich siebzehn bin und wo ich lebe. Und da erkläre ich, dass ich nicht schüchtern bin, reicht das nicht? Mehr ist da nicht …“

Jana schüttelt nur den Kopf. „Ich muss jetzt wieder an die Arbeit, vergiss nicht dich abzumelden, okay?“

Ich nicke und setze mich ohne jegliche Motivation auf meinen Platz zurück. Was will Jana von mir? Es ist mein Blog, also kann ich selbst entscheiden, ob ich ihre Kritik annehme, oder? Also klicke ich auf posten und habe somit meinen ersten Beitrag veröffentlicht, den sowieso nie jemand lesen wird.

 

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