4. Dezember: Nora

Nora

„Du könntest es einfach öffnen, weißt du?“

Elena deutet auf das Lederbuch, welches ich jetzt schon fast eine Woche aufbewahre. Gequält sehe ich zuerst das Buch, dann sie an. 

„Wie könnte ich das tun? Was, wenn es ein Tagebuch ist? Mit den geheimsten und intimsten Gedanken?“

Elena verdreht die Augen. „Und was, wenn es einfach irgendein Notizbuch ist? Schlag einfach die erste Seite auf. Manchmal schreibt jemand seinen Namen oder so dorthin. Das wäre die einfachste Lösung.“

Ich schlage meinen Kopf auf den Tisch. Was soll ich bloß tun? Schon seit Tagen will ich es ihm zurückgeben, aber er ist nicht mehr im Café aufgetaucht.

„Aber du willst ja alles kompliziert machen. Deshalb schaue ich jetzt einfach nach.“ Elena greift nach dem Buch, aber ich ziehe es schnell genug von ihr weg. Doch es gleitet aus meiner Hand und ich werfe es aus Versehen gegen das Fenster. Erschrocken halte ich mir die Hände vor den Mund und betrachte das Notizbuch, das nun aufgeklappt am Boden liegt.

„Na ja, es ist nicht so, als hätte ich es aufgeklappt … ein Blick kann doch nicht schaden, oder?“ Nach Bestätigung suchend, schaue ich zu Elena. 

„Halleluja“, erwidert diese nur und macht eine Geste, als würde sie allen Göttern danken. 

Vorsichtig rutsche ich von meinem Stuhl auf den Boden und krabble auf allen Vieren auf das Buch zu.

Die Schrift ist schnörkelig, aber doch gut lesbar. Mit dem Finger fahre ich leicht über die Worte. 


Und wenn wir uns wiedersehen, 

soll die Zeit vergehen

wie im Traum.


Darunter ist eine Skizze von der Aussicht, die man hat, wenn man aus dem Fenster sieht.

Neugierig blättere ich auf die erste Seite. Tatsächlich.

In sauberer Druckschrift steht dort: Simon.