2. Dezember: Simon

Simon

„Ich kann heute nicht nach Hause fahren.“

Mein Handy zwischen Schulter und Ohr gepresst, ziehe ich mir erst einen Schuh an, wobei ich auf einem Bein hin- und herhüpfen muss, und dann den anderen. 

„Mama, es schneit.“

Ich klopfe meine Jackentasche nach meinem Schlüssel ab, um sicherzugehen, dass ich ihn auch tatsächlich eingesteckt habe, doch ich finde ihn nicht.

„Na ja, Mama, es schneit hier ziemlich und es sind gute drei Stunden Fahrt, bis ich zu Hause bin, das werde ich dieses Wochenende nicht schaffen.“

Suchend blicke ich mich nach meinem Schlüssel um, hebe meinen Schal auf und sehe in meiner anderen Jacke nach. Dann fällt es mir wieder ein. Ich ziehe die Schuhe wieder aus, um ins Wohnzimmer zu gehen, wo meine Katze in ihrem Bettchen schläft. Vorsichtig hebe ich sie hoch und tatsächlich: mein Schlüssel!

„Mama, wie wär’s mit nächster Woche? Ich habe in der Uni zurzeit ziemlichen Stress, ich kann nicht einfach sechs Stunden Fahrt verschwenden …“

Meine Mutter lässt einfach nicht locker und ich schalte sie auf Lautsprecher, um mir in Ruhe die Schuhe wieder anzuziehen.

„Simon, ich habe dich seit Allerheiligen nicht mehr gesehen. Du hast uns versprochen, den ersten Advent mit uns zu verbringen. Sara freut sich schon auf ihren Bruder. Ihr Bruder, der sie seit Ewigkeiten nicht mehr besucht hat …“

Ihre Stimme nimmt diesen Ton an, der mir verrät, dass Sara gerade in der Nähe ist und sie meine kleine Schwester vorschiebt und dann höre ich auch Saras leise Stimme. „Von mir aus kann er mir gestohlen bleiben“

Ich muss lächeln. So kenne ich mein Schwesterherz. Leise räuspere ich mich.

„Sag dem kleinen Monster einen schönen Gruß und ich verspreche ihr, dass ich nächste Woche zu Hause bin. Tschüss, Mama, ich muss gehen!“

Ich lege auf und atme tief durch. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich besser los sollte. 

„Miau!“

„Tschüss, Lucy, ich bin bald wieder zurück!“

Die schwarze Katze dehnt sich nur und verschwindet dann hinter der Ecke, gerade, als ich die Tür schließe.