19. Dezember: Nora

Nora


“Texten während der Arbeitszeit?”

Ertappt lasse ich das Handy hinter meinem Rücken verschwinden. “Nein?”

Elena steht mit verschränkten Armen vor mir und sieht mich prüfend an. “Was schreibt Simon denn?”

“Er hat mir gerade ein Meme über Kant geschickt.” Ich ziehe mein Handy von hinter meinem Rücken hervor und zeige Elena stolz ein Foto auf dem steht: “Immanuel Kant, but at least Immanuel tried.”

Elena sieht sich skeptisch das Bild an und dann mich. 

“Was?” Ich sehe mir das Bild noch einmal an.

“Das findet er lustig? Beziehungsweise, du findest das lustig?”

Genervt stecke ich mein Handy in die Hosentasche. “Zufälligerweise finde ich es tatsächlich cool, dass er sich auch für Philosophie interessiert. Er studiert es sogar, worauf ich ein wenig neidisch bin.” 

Elena ist unbeeindruckt.

“Du interessiert dich eben für KPop und ich mich für Philosophie.”

“Kpop ist aber nicht seit dreihundert Jahren tot.”

“Elena …” Mit ihr zu diskutieren ist zwecklos.

“Ich lasse dich ja schon in Ruhe. Schreib ihm zurück, dass du “weißt, dass du nichts weißt”, oder so einen Schwachsinn.”

Ich will schon argumentieren, dass es sich dabei nicht um “Schwachsinn” handelt, doch ich belasse es lieber dabei und schreibe Simon eine schnelle Nachricht.


Ich: Ich bin bei der Arbeit. Melde mich später :)


Simon: OK. Morgen Weihnachtsmarkt?


Ich: Morgen passt perfekt :)


Simon: Perfekt. Ich schreibe dir später!


Lächelnd lege ich das Handy weg und begrüße den Kunden, der gerade bei der Tür hereingekommen ist.

“Guten Morgen, Sven!”

“Guten Morgen, liebe Nora! Wie geht es dir?”

Der ältere Herr, der schon seit Monaten das Café frequentiert, scheint heute besonders gut gelaunt.

“Mir geht es gut, was kann ich für dich zubereiten? Das Übliche?” Ich schnappe mir einen Zettel, um seine Bestellung aufzuschreiben. 

“Nein, heute fühle ich mich inspiriert. Das Weihnachtsfrühstück.” Sven lächelt verschmitzt.

“Gibt es etwas, das du mir sagen willst, Sven?” Ich muss auch lächeln. Sven strahlt eine spitzbübische Freude aus. 

“Ich wünsche dir und deinem Freund nur das Beste!” Er zwinkert mir zu und setzt sich auf seinen üblichen Platz. 

Meine Wangen werden warm und ich flüstere ein leises “Danke”.