20. Dezember: Simon

Simon


“Erzähl mir etwas über dich.” Nora schlendert neben mir her, ihr Gesicht von den vielen Lichterketten des Weihnachtsmarktes erleuchtet und ihre Augen auf mich gerichtet. 

Sie sieht so wunderschön aus. Das würde ich ihr gerne sagen, aber ich halte mich zurück.

“Was würdest du denn gerne wissen?” Ich weiß nicht, wo ich anfangen sollte und plötzlich weiß ich nichts über mich selbst.

“Du musst keine Fragen beantworten, die dir unangenehm sind.” Nora denkt eine Weile nach und ihr Blick schweift über den Weihnachtsmarkt. “Was ist dein Lieblingsstand hier?”

“Puh, das geht mir jetzt eindeutig zu weit. Nächste Frage?” Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen und Nora verdreht amüsiert die Augen.

“Ich wollte dir nur einen sanften Einstieg ermöglichen, bevor ich mit der Psychoanalyse beginne.”

“Gut. Mein Lieblingsstand ist der da drüben.” Ich zeige zum Wollstand, wo es Socken, Schals, Handschuhe und sonst noch einige Wollwaren gibt. “Was ist deiner?”

Noras Augen funkeln und sie nimmt mich bei der Hand. Sie zieht mich an den Häuschen des Marktes vorbei bis zum Karussell, wo sie plötzlich stehen bleibt. 

“Ich bin schon seit Jahren nicht mehr gefahren, aber es bleibt trotzdem mein Liebling.”

Für einen Moment scheint sie in Erinnerungen zu schwelgen und mir fällt auf, dass sie noch immer meine Hand hält. Ich drücke leicht zu und das reißt sie aus ihren Gedanken.

“Würdest du gerne fahren?”

Nora schüttelt den Kopf. “Wir sind zu alt, das dürfen wir nicht mehr.”

“Wer bestimmt das denn? Ich kaufe Karten.” Ich ziehe sie zum Ständchen, wo wir merkwürdig angeschaut werden, aber die Karten bekommen wir trotzdem.


Nachdem wir uns jeweils ein Pferdchen ausgesucht haben, ruft mich Nora und als ich aufschaue, schießt sie ein Foto von uns. 

“Hey! Ich war nicht bereit. Das sieht jetzt sicher richtig hässlich aus.” 

“Keine Sorge, du siehst immer gut aus.” Nora sieht sich lächelnd das Foto an. Dann dreht sie sich plötzlich zu mir um. Ihre Wangen rosa. “Was ich meinte ist, du siehst gut auf dem Foto aus.”

“Aha. Du findest also, dass ich gut aussehe?” Herausfordernd sehe ich sie an und genieße, wie sie versucht, sich herauszureden, bis ich sie unterbreche: “ Ich will dir schon den ganzen Abend sagen, wie schön du bist.”

Sie starrt mich eine Weile einfach nur an. “Danke”, flüstert sie schließlich.



“Was machst du die Feiertage über?”, fragt mich Nora, als ich sie nach Hause begleite.

“Ich werde nach Hause fahren. Die Weihnachtsferien bei meiner Familie verbringen, du?”

Nora senkt ihren Blick auf den schneebedeckten Boden vor uns. “Ich werde die Feiertage alleine zu Hause sein. Elena ist bei ihrer eigenen Familie.”

“Und du fährst über die Feiertage nicht zu deiner Familie?”

Nora schüttelt nur den Kopf. Sie wirkt niedergeschlagen und ich muss irgendetwas tun, deshalb stelle ich die einzige Frage, die mir in den Kopf schießt:

“Möchtest du Weihnachten mit mir feiern?”