11. Dezember: Simon

Simon


Ich stehe vor dem Café. Schon wieder. 

Was ich hier genau will, weiß ich selbst nicht wirklich. Guten Kaffee? Warmes Gebäck? Flirten? Nein. Ich will sie nicht bei ihrer Arbeit belästigen, das wäre unangenehm. Aber wann soll ich sonst mit ihr sprechen? Ich kann nicht einfach hier draußen auf sie warten, das wäre nicht nur unangenehm, sondern Stalking.

Tief ausatmend drücke ich also die Tür auf und die bekannte Wärme empfängt mich.

Da ist sie. Mit dem Rücken zu mir gewandt, spricht sie mit ihrer Mitarbeiterin, die mich sofort erblickt und Nora dann mit großen Augen anstarrt. Diese dreht sich um und dabei schwingt ihr Zopf leicht mit. Als sie mich sieht, breitet sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus, welches mir den Mut gibt, auf die Theke zuzugehen. 

“Guten Morgen Simon, was kann ich für dich zubereiten?”

Sie erinnert sich an meinen Namen. Sie erinnert sich an mich!

“Ähm.” Ich scanne das Menü nach einem Getränk ab, das mich nicht in einen Zuckerschock versetzen wird. “Was kannst du denn empfehlen?”

Nora denkt kurz nach und schiebt dabei die Unterlippe zwischen ihren Zähnen hin und her. 

“Wie süß magst du deine Getränke?”, fragt sie mich schließlich.

“Eigentlich mag ich süße Sachen nicht.” Außer dir. 

“Kalt oder warm?”

Ich zögere. “Kalt?”

Nora lächelt. “Ich nehme auch meistens kalt. Ist erfrischender. Gut, dann würde ich dir den grünen Tee mit Holundersirup empfehlen. Ist nur leicht gesüßt und den Holundersirup haben Elena und ich selbst hergestellt. Wie klingt das?”

“Perfekt.”

Nora deutet auf einen der freien Tische: “Du kannst dir inzwischen einen Platz suchen, deine Bestellung bringe ich dann zu dir.”

Sie dreht sich um und beginnt mit der Zubereitung meines Getränks.

Ich suche mir den Platz in der Ecke beim Fenster aus und setzte mich in den bequemen Sessel. Um die Zeit zu vertreiben, hole ich mein Notizbuch heraus und beginne zu skizzieren. Zuerst ist es bloß ein generisches Gesicht, doch mit jedem Strich nimmt es mehr und mehr eine bekannte Form an. Unauffällig sehe ich zu Nora hinüber. Ich versuche die Art, wie ihr Zopf auf ihrer Schulter liegt, festzuhalten. Wie ihr sanftes Lächeln ihr Augen erleuchtet. 

“Soll ich Nora holen? Ist vielleicht einfacher, als sie quer durch den Raum anzustarren.” Noras Mitarbeiterin steht neben mir und sieht sich meine Zeichnung an.

Erschrocken klappe ich das Notizbuch zu. 

“Ich … ich habe nicht Nora gezeichnet, ich habe nur …” Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

“Schon gut. Wenn du jemand anderes wärst, hätte ich dich aus dem Café geschmissen, aber das würde mir Nora nie verzeihen.” Den letzten Teil murmelt sie leise vor sich hin, so als wäre es nicht für mich bestimmt. 

Sie geht wieder und lässt mich alleine mit meinen Gedanken. 

Heißt das etwa, dass sie mich mag?