8. Dezember: Simon

Simon


Alex lacht. Genauer gesagt: Alex lacht mich aus. 

Es ist ein stummes Lachen. In der Kälte sieht man den Dampf, der durch sein Lachen erzeugt wird. 

“Du bist einfach hinein und sofort wieder raus?”

Alex schüttelt den Kopf und sieht mich mit seiner roten Nase an. Es ist heute so kalt, dass seine Augen leicht tränen - vielleicht kommt das aber auch vom Lachen.

“Also du hast die Tür geöffnet, sie hat dich nur angeschaut und du bist geflüchtet? Einfach hinausgerannt. Und dein Buch? Liegt das immer noch im Café?”

“Ja.” Ich verstehe nicht wirklich, warum er es so witzig findet. Alex mustert mich und schüttelt sein Lachen ab. 

“Wir gehen jetzt dorthin.” Er zieht mich am Ärmel meiner Jacke. “Ich gebe dir Rückendeckung”

“So wichtig ist das Buch nicht.”

“Ach, komm schon. Du hattest fast einen Nervenzusammenbruch, als du es nicht gefunden hast.”

Während Alex mich mehr oder weniger durch die Stadt zieht, gibt er mir Tipps. Wie ich mit ihr flirten könnte. Wie ich mich nicht zum Idioten mache. Wie ich cool wirken kann. 


“So, da wären wir. Hug in a Mug Café.” Alex lugt durch das Fenster und schubst mich dann zur Tür. “Viel Glück!”


Cool sein. Einfach cool sein.


Im Café werde ich zuerst von der Wärme empfangen. Der weihnachtliche Geruch überwältigt mich zunächst, doch dann schmecke ich die einzelnen Gerüche heraus -  Zimt, Gewürznelke, Orange, Spekulatius - und sie wirken beruhigend auf meine Sinne. 

Es stehen diesmal keine Leute an der Theke, was mich auch weniger nervös macht. Die Musik, sanfter Weihnachts-Jazz, lässt mein Herz ruhiger schlagen, doch dann sehe ich sie. 

Mit einem sanften Lächeln bereitet sie gerade ein Getränk mit absurd viel Sahne zu. Ich kann nicht anders, als sie zu beobachten. Zusehen, wie ihr eine Strähne ins Gesicht fällt, wie ihr Armband bei jeder Handbewegung klimpert. Wie ihre braunen Augen Wärme ausstrahlen. Braune Augen, die auf mich gerichtet sind. 

Ich schrecke zusammen und mein erster Instinkt ist es zu flüchten. Ich will schon einen Schritt zurück machen, da ruft sie nach mir.

“Simon?” Mein Herz schlägt nun wieder schneller. “Du bist schon Simon, oder?” Sie lächelt mich an und bückt sich kurz, nur um dann wieder mit meinem Notizbuch zu erscheinen. “Das gehört, denke ich, dir. Tut uns leid, dass wir es so lange behalten haben. Ich schwöre, wir haben nicht darin gelesen, nur deinen Namen nachgeschaut.”

Ich habe das Gefühl, dass ich irgendetwas tun müsste. Und ich gehe zögern auf sie zu. 

“Danke, dass ihr es aufbewahrt habt.”

Ich strecke die Hand aus und greife nach dem Notizbuch. Meine Finger schlingen sich um das kalte Leder und dabei berühren ihr ihre Finger. Sie sind kalt und besorgt sehe ich hoch. Das Mädchen zieht ihr Hand zu sich und lächelt mich an. “Möchtest du etwas zu trinken? Heute ist es kalt, vielleicht etwas, das dich aufwärmt?”

“Nein, danke, ich muss gehen, mein Kollege wartet draußen auf mich.”

Ich will schon gehen, doch dann packt mich der Mut.

“Wie heißt du?”

Überrascht zieht sie die Augenbrauen zusammen, doch dann lächelt sie wieder. 

“Nora” Ihre Augen funkeln. “Ich heiße Nora.”